Die Submunition ist ein runder metallischer Ball, schmutzig und rostig.

Deutschland und Streubomben

Derzeit liegen in Deutschland Streubomben-Blindgänger in einem gesicherten Gebiet in Brandenburg. Obwohl Streumunition international geächtet ist, dürfen deutsche Finanzinstitute noch immer in Hersteller investieren. Die Wehrmacht setzte Vorläufer der menschenverachtenden Waffen bereits im zweiten Weltkrieg ein.

Letztes Update: 09. September 2024

Auf einem ehemaligen sowjetischen Trainingslager in der Nähe von Wittstock in Brandenburg befinden sich vermutlich noch immer Blindgänger aus Streubomben des Typs ShOAB-0.5. Auf dem ehemaligen Trainingsgelände liegen auf einer Fläche von rund 4,41 km2 noch eine Vielzahl anderer explosiver Kriegsreste (Stand: März 2024). Die Gefahrenzone, in der die einzigen Blindgänger aus Streumunition in Deutschland liegen, ist weiträumig markiert und gesichert. Für die umliegende Bevölkerung fand ein Aufklärungsprogramm statt. Nach der Räumung soll das Gebiet Teil eines Naturschutzgebiets bleiben.

Die Bundesregierung hat bis zum 1. August 2030 Zeit, die kontaminierte Flächen zu räumen. Deutschland hatte zum zweiten Mal einen Antrag auf Verlängerung für diese Frist gestellt, welcher im September 2024 auf der Vertragsstaatenkonferenz des Minenverbots angenommen wurde. Die letzte Frist war am 1. August 2020 ausgelaufen.

Bericht in der Tagesschau über die Räumung von Blindgängern in Wittstock

9. Juni 2021: Die Tagesschau berichtet aus dem sogenannten Bombodrom in der Wittstock-Ruppiner Heide. Hier warf die Rote Armee während des Kalten Krieges Hunderte Streubomben ab. Der Bereich wird seit vielen Jahren geräumt. Jeden Tag, 5 Tage die Woche, egal bei welchem Wetter sind hier 140 Frauen und Männer im Einsatz, um die Heide von den militärischen Altlasten zu befreien. Dort hatte die Rote Armee den NATO-Flugplatz Bitburg nachgebaut und dessen Bombardierung geübt. Davon gibt es keine Protokolle oder Karten, was bedeutet, dass die gesamte Fläche von 1.200 Hektar systematisch durchsucht werden muss. Nach drei Jahren sind bislang 5300 Bomben geborgen worden. Jede einzelne von ihnen verfügt über die doppelte Sprengkraft einer Handgranate. Mehr dazu sehen Sie im Bericht der Tagesschau.

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Lesen Sie hier mehr über die aktuelle Situation in Deutschland auf der Webseite des Monitors, der internationalen Institution zur Überwachung der Fortschritte des Oslo-Vertrags.

Deutsche Waffenhersteller verdienten gut an der Herstellung der Bomben

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzte die deutsche Armee die menschenverachtenden Waffen zwar nie wieder ein - doch deutsche Firmen verdienten gut an deren Produktion und den lukrativen Verkäufen ins Ausland. Und auch die Bundeswehr kaufte ein: Als Frank-Walter Steinmeier für Deutschland den Oslo-Vertrag 2010 unterzeichnete, also das Verbot von Streubomben, lagerte Deutschland noch immer rund 63 Millionen Submunitionen.

Ein großer Teil davon bestand aus veralteten Modellen, wie der M77 der deutschen Firma Diehl, die eine besonders verheerende Auswirkung für die Zivilbevölkerung haben: bis zu 40% der abgeworfenen Submunition dieses Modells explodieren nicht sofort und können somit noch jahrzehntelang eine Bedrohung für die Zivilbevölkerung der betroffenen Länder darstellen. Neben Diehl waren unter anderem auch Rheinmetall und EADS an der Herstellung, Entwicklung und dem Export von Streumunition und Abwurfsystemen beteiligt.

Laut offiziellen Aussagen wurde die Produktion sowie der Transfer von Deutschland aus in andere Länder bereits 2005 beendet.

Das Verbot: eine neue Situation

Mit dem Inkrafttreten der Oslo-Konvention am 1. August 2010 wurde Deutschland verpflichtet, sämtliche Bestände zu vernichten. Nur ein kleiner Restbestand ist vertraglich zu Übungs- und Forschungszwecken gestattet. Diesen Restbestand nutzte die Bundeswehr voll aus: 570 Streubomben und 52.801 Submunitionen wurden aufbewahrt. Kein anderer Vertragsstaat lagert mehr Streumunition als Deutschland.

Am 25. Novenber 2015 wurde die letzte gelagerte Bombe, die nicht für Trainingszwecke verwendet wird, vernichtet. Dies geschah erfreulicherweise lange vor Ablauf der durch den Vertrag gesetzten Frist. Die Kampagnenleiterin von Handicap International, Dr. Eva Maria Fischer, war dazu als einzige Vertreterin der Zivilgesellschaft eingeladen: ein Zeichen dafür, wie eng der Kampf gegen Streubomben in Deutschland mit Handicap International verbunden ist.

Deutsche Finanzinstitute dürfen noch immer in Hersteller investieren

Die niederländische Nichtregierungsorganisation PAX untersucht regelmäßig das weltweite Geschäft mit Streubomben. Denn: In Staaten wie Südkorea, die dem Verbotsvertrag nicht beigetreten sind, werden sie noch immer produziert. Doch ohne ausreichende Mittel, die ihnen von Finanzinstituten zur Verfügung gestellt werden, müssten die Waffenhersteller Ihre Entwicklung und Produktion einstellen. In ihrem Bericht „Worldwide Investments in Cluster Munitions: a shared responsibility“ verurteilt die Organisation deshalb Finanzinstitute, Banken und Rentenfonds, die noch immer in die Hersteller investieren. 

Der aktuellste Bericht vom 3. Dezember 2018 listet kein deutsches Finanzinstitut mehr in seiner „Hall of Shame“. Im Vorjahres-Bericht befand sich noch der Allianz-Konzern als Finanzier von Streumunitions-Herstellern in der „Hall of Shame“, da das deutsche, global operierende Unternehmen über seine Tochterfirmen NFJ Investment Group LLC und Allianz Global Investors U.S. LLC Herstellern seit Juni 2013 mindestens 72 Millionen US Dollar zur Verfügung gestellt hatte. Das Verschwinden der Allianz aus der „Hall of Shame“ hat allerdings nichts mit einer geänderten Finanzpolitik des Konzerns zu tun. Die Allianz schließt derartige explosive Investitionen nach wie vor nicht aus. Allerdings haben die beiden US-amerikanischen Firmen Textron und Orbital ATK offiziell ihren Rückzug aus der Produktion der weltweit geächteten Waffen verkündet. 

Positiv erwähnt der Bericht die Landesbank Baden-Württemberg. Sie zeigt, wie ein Finanzinstitut ernst machen kann und konsequent dem Geist des Verbots folgen kann. Sie hat sich eine Richtlinie gegeben, die jegliche Investition in eHersteller verbietet.

Im Jahr 2011 sorgten Berichte für Aufsehen, die belegten, dass über die Riester-Rente Investitionen in Produzenten von Streumunition in Deutschland sogar staatlich gefördert wurden. Auf Anfrage der ZEIT hatte Walter Riester, ehemaliger Arbeitsminister, dafür eine ganz einfache Lösung: Deutschland müsse die Investitionen in Herstellerfirmen endlich verbieten.

Doch die deutsche Regierung hat bisher, trotz mehrerer parlamentarischer Initiativen, Investitionen noch nicht verboten. Ein Verbot wäre jedoch folgerichtig, nachdem die Oslo-Konvention Produktion und Einsatz dieser Waffen untersagt und Deutschland fast alle Munitionen zerstört hat.

Eine Vielzahl an Länder zeigt, dass das möglich ist: Auch Staaten mit starken Finanzsektoren, wie Luxemburg, Frankreich oder die Schweiz, haben diese Investitionen durch ein Gesetz verboten

Einsatz durch Deutschland im Zweiten Weltkrieg

Die Geschichte des menschenverachtenden Einsatzes von Streubomben in Deutschland reicht bis in den Zweiten Weltkrieg zurück, als die deutsche Armee in Großbritannien die so genannten „Butterfly-Bomben“ einsetzte. Sie gelten als Vorläufer der heutigen Streumunition. Im Juni 1943 bombardierte die deutsche Luftwaffe die englische Küstenstadt Grimsby.

Die Waffen aus diesem Einsatz wurden umgangssprachlich „Schmetterlingsbomben“ oder auch "Schmetterlingsminen" genannt, da sich ihr Gehäuse öffnete, um ein Paar sich drehender Flügel zu bilden. 14 Menschen wurden während der Bombardierung getötet und elf schwer verletzt. Als die Bombardements zu Ende waren, verließen die Menschen die Luftschutzbunker und Schutzräume und mussten feststellen, dass die Straßen von merkwürdigen, geflügelten Gegenständen übersät waren. Die Reste der Schmetterlingsbomben waren überall zu finden. Sie hingen an Telefonleitungen oder lagen in Dachrinnen.

Kinder hielten sie für Spielzeug, auch Erwachsene stießen sie beiseite oder hoben sie auf – oft mit tödlicher Folge. Erst am nächsten Morgen wurde das ganze Ausmaß der Bedrohung deutlich – über 2.500 Schmetterlingsbomben waren über Grimsby und seiner Umgebung sowie über Cleethorpes abgeworfen worden. Allein in den Stunden, nachdem die Sirenen Entwarnung gegeben hatten, verloren 31 Menschen ihr Leben und weitere 31 wurden verletzt.

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